Zur Heterotopie

Obwohl Foucault den Begriff nur sporadisch verwendet (und er eigentlich aus der Medizin entlehnt ist), ist das dahinter stehende Konzept ziemlich interessant. Während eine Utopie eine imaginäre Realität ohne Ort ist (Foucault: “Orte ohne Orte”), ist die Heterotopie als eine realisierte Utopie anzusehen. Heterotopien sind ›tatsächliche‹ Orte, die jedoch durch ihre sozialen Zuschreibungen eine Bedeutung besitzen, die über die reine Topografie/Architektur hinaus geht.

Foucault nennt in Von anderen Räumen (1984: 937) vor allem Sanatorien, psychische Anstalten, Gefängnisse, aber auch Schiffe, Kolonien, Friedhöfe und das Theater.

Heterotopien besitzen die Fähigkeit, mehrere reale Räume, mehrere Orte, die eigentlich nicht miteinander verträglich sind, an einem einzigen Ort nebeneinander zu stellen.

Foucault 1984: 938

Aus meiner Perspektive finde ich den Garten, den Foucault als ältestes Beispiel aus widersprüchlichen Orten bezeichnet, besonders interessant.

Der traditionelle Garten der Perser war ein heiliger Raum, dessen viergeteiltes Rechteck für die vier Teile der Welt stand, wobei sich im Zentrum ein Raum befand, der noch heiliger war als die anderen und den Nabel der Welt darstellte.

Foucault 1984: 938

Diese vollkommene Andersartigkeit rührt daher, dass sich Heterotopien den anderen Räumen »widersetzen [s’opposent à]«, sie dabei »in gewisser Weise sogar auslöschen, ersetzen, neutralisieren oder reinigen«.

Klass 2014: 264

Die Heterotopie bezeichnet konkurrierende Räume, die ohne Ort nicht existent sind, aber durch ihn nicht eindeutig definiert werden.

Truninger/Wolf: 3

Textnachweise:

Foucault, Michel (2005): Von anderen Räumen. In: Daniel Defert und François Ewald (Hg.): Michel Foucault – Schriften in vier Bänden. Dits et écrits. Unter Mitarbeit von Jacques Lagrange. Erste Auflage. 4 Bände. Frankfurt am Main: Suhrkamp (4), S. 931–942.

Klass T. (2014): Heterotopie. In: Kammler C., Parr R., Schneider U.J., Reinhardt-Becker E. (eds) Foucault-Handbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01378-1_35